Makiia Lucier – Das Fieber (Buchrezension)

das fieber cover

Heute möchte ich euch mit einer Rezension ein neues Buch vorstellen, das mir sehr gut gefallen hat: »Das Fieber«, meinem mittlerweile zweiten, gelesenen Buch aus dem Königskinder Verlag. Tendenz: steigend. Ich habe derzeit einen richtigen Leseflow und scheine nach Monaten ohne unterhaltende Literatur einen gewissen Nachholbedarf zu haben. Möge es für eine ganze Weile genauso bleiben, denn: Das fühlt sich fantastisch an!

Diesen historischen Jugendroman nach dem Umblättern der letzten Seite zu beschreiben, fällt mir nicht leicht. Es ist eines dieser Bücher, die man nicht vergisst, weil sie etwas Besonderes sind. Als ich Makiia Luciers Jugendbuch in seinem außergewöhnlichen Buchumschlag auf der Leipziger Buchmesse im Regal stehen sah, musste ich einfach danach greifen. Irgendetwas zog mich magisch an. Das Muster? Die Farben? Ich weiß es nicht mehr genau. Schlussendlich war es der Klappentext, der mich aufhorchen ließ und dafür sorgte, dass mir der Roman nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich war neugierig und diese Neugier befriedigte ich nun am vergangenen Wochenende, als ich »Das Fieber« in knapp achtundvierzig Stunden durchlas. Wie es mir gefiel, möchte ich euch nun berichten.

Das Fieber

Cleo ist siebzehn Jahre alt. Das Mädchen hat schon früh ihre Eltern verloren und lebt nun bei ihrem Bruder in Portland im Bundesstaat Oregon. Sie hat gerade ihre Schule beendet und weiß noch gar nicht recht, was sie mit ihrer Zukunft anfangen soll – in diesen Zeiten, in der die Welt durch die tobende Wut des Weltkriegs und den verheerenden Auswirkungen der alles vernichtenden spanischen Grippe ins pure Chaos gestürzt wird. Das alles scheint in weiter Ferne, bis die Seuche eines Tages ihre tödlichen Finger Richtung Portland ausstreckt und das Überleben von Hilfsbereitschaft, Miteinander und Nächstenliebe eines jedes Menschen abhängt.

 

Ich denke, ich habe mittlerweile meine Begeisterung für das Gestaltungskonzept des Königskinder Verlags ausreichend zum Ausdruck gebracht. Wer sich einen Überblick über den Verlag machen möchte und warum ich seit kurzem fangirle, verrate ich euch in diesem Beitrag. Kurz gesagt: Mir gefällt das Design sehr gut. »Das Fieber« erschien im zweiten Programm des Carlsen Imprints namens ‚Alles blüht‚ und so farbenfroh sind auch die Cover dieses Frühjahrsprogramms gestaltet. Der sanfte Kontrast zwischen Altrosa und Grau gefällt mir sehr gut und passt hervorragend zum historischen Setting des Buchs.

Ein Herzensbuch

Makiia Lucier hat mit ihrem Erstling mein Herz erobert. »Das Fieber« hat mich mit seinem Anblick auf der Buchmesse magisch angezogen und nicht mehr losgelassen. Ich bin, wie ihr vielleicht mittlerweile wisst, kein Fan des historischen Genres. Doch Ausnahmen bestätigen hier einmal mehr die Regel. Es kommt natürlich auch immer darauf an, welche Story in der von mir gern gelesenen Epoche Anfang bis Ende des 20. Jahrhunderts eingebettet wird. Ich lese gerne Bücher, deren Handlung zwischen 1920 und 1945 angesiedelt wurde, doch der zeitgeschichtliche Hintergrund allein ist kein Garant dafür, dass mir das Buch letztendlich auch zusagt. Hier spielen viele Aspekte eine Rolle.

Die spanische Grippe ist mir bisher außerhalb einiger weniger Sachbücher noch nicht in Romanform begegnet. Wohl wissend, dass diese Pandemie damals weltweit an die 50 Millionen Todesopfer forderte, war ich neugierig, wie die Autorin historische Tatsachen mit einer fiktiven Geschichte verbinden wollte.

Eine ruhige, zu Herzen gehende Geschichte

Makiia Lucier hat mit »Das Fieber« aus meiner Perspektive alles richtig gemacht. Sie schuf mit Cleo eine rundherum authentische, ehrliche und sehr lieb gewonnene Figur, mit der ich mich trotz oder vielleicht gerade auf Grund der Tatsache, dass ich ihre Mutter sein könnte, gut identifizieren konnte. Das Mädchen hat bereits einiges mitgemacht, da sie schon in jungen Jahren ihre Eltern verloren hat und schon früh erwachsen werden musste. Cleo hat gerade ihre Schule beendet und befindet sich noch auf der Suche nach sich selbst, nach ihren Wünschen, Sehnsüchten und einer Zukunftsperspektive. Während viele ihrer Mitschüler bereits genau wissen, wohin die Reise gehen soll, wälzt das junge Mädchen Biografien berühmter amerikanischer Frauen, zweifelt an sich und ihren Fähigkeiten und neigt sogar dazu, sich ein wenig selbst zu bemitleiden.

„Mein jämmerliches, bedauernswertes, unehrgeiziges Ich.““ – Seite 7

Das mag im ersten Moment gar abschreckend klingen, doch lasst euch von diesem ersten Eindruck nicht täuschen. Das ist für dieses Alter absolut normal. Man muss sich selbst finden, erforschen und vielleicht auch erst einmal die Welt entdecken, bevor man sich niederlässt und seine Träume in die Realität umsetzt. Das kann ich als Mutter eines Teenagers absolut bestätigen. Dieser Prozess ist übrigens selbst im Erwachsenenalter nie gänzlich abgeschlossen.

Die junge Dame reift im Laufe der 368 Seiten umfassenden Geschichte von einem orientierungslosen Teenager zu einer empathischen, willensstarken und mutigen jungen Frau heran. Als sie in der örtlichen Tageszeitung eine Anzeige bemerkt, in der Frauen dringend gebeten werden, sich freiwillig für das Rote Kreuz zu melden, fasst sie sich ein Herz und beschließt, trotz der ohne Zweifel bestehenden tödlichen Gefahr für ihr eigenes Leben selbstlos und engagiert zu helfen. Dabei ist der Weg bis zu der Erkenntnis, wie wichtig und wertvoll genau dieses empathische Verhalten in solchen Zeiten ist, auch für Cleo weiß Gott nicht einfach. Natürlich hat sie große Angst, selbst ein Opfer der Grippe zu werden. Wie könnte man es ihr verdenken?

„Sie fragen sich, warum ich bleibe“, sagte ich. „Manchmal frage ich mich das auch. Aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass irgendwo ein Kind oder sonst irgendjemand liegt, krank und verängstigt, und auf Hilfe wartet, die nicht kommt.“ – Seite 221/222

 

Ein Hoffnungsschimmer in Zeiten tiefer Verzweiflung

Doch inmitten dieser düsteren, bedrohlichen und oft sehr traurigen Stimmung wird sie sich mehr und mehr bewusst, wie unglaublich wichtig Nächstenliebe, Mut und Hilfsbereitschaft für das Überleben aller sind. Wie soll man dieser furchtbaren Krankheit Herr werden, wenn nicht jemand beherzt eingreift, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten? Die Autorin erschafft mit Cleo eine – gerade auch für unseren aufgewühlten Zeiten – kluge, vorbildliche, in ihrer Verletzlichkeit geradezu perfekt unperfekte Figur, die ich nur allzu gerne des öfteren in den Arm genommen und fest gedrückt hätte. Tapfer klopft sie an Türen, betritt dunkle Hauseingänge und Zimmer, in denen Menschen schon seit Tagen fiebernd zwischen den Laken schwitzen, während andere Menschen selbst ihre eigenen Familienmitglieder aus Angst vor Ansteckung in ihren Häusern zurücklassen und lieber ihre eigene Haut retten.

„Es wäre ziemlich leicht wegzugehen. Aber dann könnte ich nie wieder nach Hause zurückkehren, nicht wahr? Zumindest nicht erhobenen Hauptes.“
Ich dachte darüber nach. „Conscientia mille testes“, sagte ich. Ein Gewissen ist so gut wie tausend Zeugen.“ – Seite 277/278

Als Vorbild stellte Makiia Lucier Hannah an die Seite der jungen Schulabsolventin; eine ehrgeizige Krankenschwester in den Zwanzigern, die ihr ein ums andere Mal den Kopf zurecht rückt und inmitten des bedrückenden, von Tod und Elend überschatteten Alltags wie ein Fels in der tosenden Brandung wirkt. Mehr als einmal musste ich schlucken und das Buch kurz sinken lassen, sei es, um das Gelesene zu verarbeiten oder über die spanische Grippe und ihre Ausbreitung zu recherchieren.

»Das Fieber« ist eine ruhige, ergreifende Geschichte, das Erzähltempo langsam und zeitweise beinahe schleichend – gleichsam wie der Tod, der seine schwarzen Finger unheilvoll über der Welt ausbreitet. Wer Spannungsspitzen sucht, wird hier nicht fündig werden, doch das hat dieser historische Jugendroman meines Erachtens auch nicht nötig. Man wird unwiderstehlich in die Geschichte hinein gesogen, hofft und bangt um Cleo, Hannah, Kate und Edmund, als wären es die eigenen Freunde. Wie schwer es mir jedes Mal fiel, dieses außergewöhnliche Buch wegzulegen, beweist wohl hinreichend, wie sehr es mir gefallen hat. Man mag zwar durchaus erahnen, worauf die Story hinaus läuft, doch das schmälerte keinesfalls mein Lesevergnügen.

Mein Fazit: Ich bin froh, dieses Debüt entdeckt zu haben. Ich hatte das dringende Bedürfnis, meine Begeisterung über »Das Fieber« in die Welt hinaus zu schreiben und so auf dieses Kleinod im historischen Jugendbuchbereich aufmerksam zu machen. Wer sich also für historische Settings zu Beginn des 20. Jahrhunderts interessiert und Lust auf gut recherchierte, junge Literatur mit starken, überzeugenden Charakteren hat, dem sei »Das Fieber« herzlich empfohlen. Ich für meinen Teil werde nun etwas tiefer in die Materie eintauchen und dank Makiia Lucier meine Scheu gegenüber historischen Romanen nun wohl des öfteren beiseite schieben.

Das Fieber | Makiia Lucier
Originaltitel: Death-Struck-Year | Übersetzung: Katharina Diestelmeier
Königskinder Verlag | April 2015 | ab 14 Jahren
Hardcover, 368 Seiten | 978-3-551-56012-4 | 17,99€
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