Lesehighlight: Torben Kuhlmann – Maulwurfstadt (Kinderbuch-Rezension)

torben kuhlmann maulwurfstadt

Grüße aus der Kindernische!

Hört ihr es rascheln, rieseln und kruscheln? Was ist das nur für ein Geräusch? Kommt das aus dem Garten? Lasst uns mal nachsehen. Nanu? Wo kommen denn all die Maulwurfshügel plötzlich her? Lasst uns mal einen Blick unter die Erde werfen, in Ordnung? Und wo wir gerade dabei sind, möchte ich euch ein Kinder- und Bilderbuch vorstellen, das sich den kleinen, grabenden Freunden visuell wie inhaltlich auf sehr eindringliche Weise genähert hat. Ich spreche von Torben Kuhlmann, der im Januar 2015 sein zweites Buch im NordSüd Verlag veröffentlicht hat und sofort auf der Nischenwunschliste landete. Der Verlag hat mir das Buch freundlicherweise zur Verfügung gestellt, herzlichen Dank dafür. Ich freue mich nun sehr darauf, euch dieses Prachtstück vorzustellen.

Vom Maulwurfshügel zur Metropole unter der Erde

Tief unten, unter einer saftiggrünen Wiese, lebt ein kleiner Maulwurf. Er lebte ganz alleine dort, doch das blieb nicht lange so. Nach ein paar Jahren gesellten sich immer mehr seiner Artgenossen hinzu und bauten gemütliche Maulwurfswohnungen unter der Wiese. Maulwurfshügel reihte sich an Maulwurfshügel, immer größer und größer wurde die Siedlung, bis eine richtige Stadt daraus entstanden war. Das Leben unterhalb der Grashalme hatte sich sehr verändert…

Zuerst in die Lüfte, nun unter die Erde

Ich gestehe: Ich bin ein Fangirl. Durch und durch. Ich habe Torben Kuhlmann sowohl als Autor und Illustrator, aber auch live auf der Frankfurter Buchmesse als sehr sympathischen Menschen kennengelernt und nehme ich euch jetzt einfach mal mit, auf eine kleine Reise ins Erdreich. Alles begann ein Jahr zuvor mit einer kleinen Maus, die fliegen konnte und sich auf die Suche nach ihren Freunden in Übersee begeben hat. Kuhlmanns erstes Bilderbuch hat eingeschlagen wie eine Bombe, wurde mehrfach mit Preisen überhäuft: gelistet beim Leipziger Lesekompass, platziert als eines der 25 schönsten deutschen Bücher der Stiftung Buchkunst und zum Buch des Monats Juli 2014 der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendbuchliteratur e.V. gekürt – um nur einige Auszeichnungen zu nennen.

Aktuell steht sein Debüt »Lindbergh: Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus« auf der Nominiertenliste für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015 – das alles meiner Ansicht nach absolut gerechtfertigt und verdient. Das Warten auf das neue Buch des talentierten Lindbergh-Papas begann und wurde nun ein Jahr später endlich mit dem Erscheinen von Maulwurfstadt beendet, von dem ich euch nun vorschwärmen berichten möchte. Kuhlmanns zweites Bilderbuch ist wieder im typisch liebevollen, detaillierten Stil gezeichnet, kommt jedoch im Vergleich zu seinem Vorgänger mit weitaus weniger Text aus. Kuhlmann verzichtet weitestgehend auf Worte und verlässt sich ganz bewusst auf die ausdrucksstarke Bildsprache seiner in warmen Sepiatönen gehaltenen Illustrationen.

„Die Geschichte von Maulwurfstadt begann vor vielen Jahren. Eines Tages zog ein Maulwurf unter eine Wiese. Dort blieb er nicht lange allein. Und im Laufe der Zeit veränderte sich das Leben unter Tage…“ – Seite 4

Eine kurze Einleitung in zwei, drei Sätzen führt uns sodann unter die Erde und stellt uns den ersten Bewohner unterhalb der Grasnarbe vor. Auf den nächsten Seiten unternehmen wir gemeinsam mit den Maulwürfen eine kleine Zeitreise und beobachten, wie sich aus einer einzelnen Behausung eine unglaublich große, technisch immer ausgereiftere Metropole entwickelt. Doch der rasante Fortschritt der kleinen Erdbuddler wirkt sich leider extrem auf ihre Umgebung aus. Wo früher eine saftig grüne Wiese war, sieht man nur noch schlammbraune Erdhügel mit zahlreichen rauchenden Schornsteinen, Strommasten und schwarzen Fördertürmen ragen, die vom rasend schnell entwickelten Leben unter Tage zeugen. Immer größere, gewaltigere Maschinen bohren sich tiefer und tiefer ins Erdreich. Die Maulwürfe ziehen in kleine Metallkistchen um, eine neben der anderen aufgereiht – eine metaphorische Darstellung unseres eigenen alltäglichen Lebens in „Wohnkisten“ aus Beton und Stahl.

Maulwurfstadt – ein Spiegel unserer Zivilisation

Torben Kuhlmann hält mit diesem beeindruckenden Bilderbuch uns Menschen den mahnenden Spiegel vor. „Seht hin!„, sagen uns seine Zeichnungen. Wir haben uns von einfachen, in und mit der Natur im Einklang lebenden Menschen zu einer modernen Gesellschaft entwickelt, die vom industriellen Fortschritt und den damit verbundenen komfortablen Annehmlichkeiten profitiert. Leider haben wir sehr spät – hoffentlich nicht zu spät – bemerkt, dass diese Entwicklung auf Kosten unseres blauen Planeten geht. Zahllose Wälder werden gerodet und damit der Lebensraum vieler Tiere zerstört. Städte breiten sich aus, Seen und Wälder weichen breiten geteerten Straßen. In den Weltmeeren schwimmen ganze Müllstrudel. Das alles sind Auswirkungen der oftmals rücksichtslosen Expansion des Menschen.

 

 

 

 

Skizzenbuch zu »Maulwurfstadt« © Torben Kuhlmann

Doch wir dürfen nicht vergessen, dass wir auf die Natur angewiesen sind; denn ohne das saftige Grün unter unseren Füßen wären wir gar nicht im Stande zu atmen. Eindrucksvoll überträgt der Hamburger die Entwicklung unserer modernen Industriegesellschaft auf die Figur der Maulwürfe. Seine Inspiration fand Kuhlmann in real existierenden Orten wie den Kohlezechen des Ruhrpotts oder den Ölfelder Aserbaidschans. Auch die emsigen Erdwühler müssen nach all den Jahren feststellen, dass von ihrer einst so wundervollen, grünen Wiese nur noch eine verschwindend kleine Grasfläche übrig geblieben ist. Auf dem Vorsatzpapier am Ende des Buches zeigt Torben Kuhlmann, dass auch die Maulwürfe im Begriff sind zu verstehen, wie wichtig dieses kleine grüne Fleckchen Erde für sie ist.

Als kleine Anmerkung möchte ich noch anführen, dass die Altersempfehlung mit 5 Jahren etwas niedrig eingestuft wurde. Ich denke, dass die Tiefgründigkeit des Themas in diesem Alter evtl. noch nicht vollständig erfassbar ist und würde »Maulwurfstadt« ab 6 oder 7 Jahren empfehlen. Doch allein die Zeichnungen sind schon eine Augenweide und so habe ich mit meinem 4jährigen Sohn gemeinsam die detaillierten Bilder bestaunt und ihn einfach beobachten lassen, was die Maulwürfe unter Tage erleben. Für alles andere ist noch Zeit.

Torben Kuhlmann | Maulwurftstadt
NordSüd Verlag | 20. Januar 2015
Hardcover, 32 Seiten | ab 5 Jahren | 978-3-314-10274-5 | 14,99€
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Mein Fazit: Dieses eindrucksvoll gezeichnete Bilderbuch hält unserer Gesellschaft den warnenden Spiegel vor und schildert in intensiven Bildern eine Geschichte, die zum Nachdenken und Umdenken anregt. Kuhlmanns Maulwürfe haben begriffen, was der Mensch erst noch verinnerlichen muss: Die Natur muss geschützt und bewahrt werden, zu unserem Wohl und dem kommender Generationen. Denn auch die Kinder unserer Kindeskinder wollen barfuß über eine grüne Wiese rennen –  und wer weiß, vielleicht entdecken sie dabei sogar einen Maulwurfshügel und erinnern sich dann an dieses Buch. Pflichtlektüre und ein Muss für das Bücherregal großer und kleiner Leser!

 

Lesehighlight | Prädikat »besonderes Buch« | Kategorie Kinder- und Bilderbuch

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