Lesehighlight 2012: Jay Asher – Tote Mädchen lügen nicht (Buchrezension)

tote mädchen lügen nicht jay asher buchcover

Vor mir liegt ein Buch in einem dunkelroten Umschlag, die Ecken sind ein wenig geschwärzt, in schwarzen großen Buchstaben prangt »Tote Mädchen lügen nicht« in der Mitte des Covers. Dreizehn grüne mit irgendeiner Flüssigkeit geschmierte Striche sind zwischen den Zeilen zu sehen. Die Gestaltung von Jay Ashers Bestseller wirkt düster und passt wie Faust aufs Auge zu seinem Buch, das ich vor ein paar Stunden zu Ende gelesen habe, das mich gepackt, wütend, betroffen und traurig machte. Ein Buch, das nun schon fünf Jahre auf dem Buchmarkt zu haben ist und dennoch ein immer noch erschreckend aktuelles Thema in den Vordergrund der Aufmerksamkeit seiner Leser stellt: Mobbing und seine Folgen für den betroffenen Menschen und seine Umgebung…

13 Kassetten – ein Hilfeschrei!

Tote Maedchen luegen nicht von Jay Asher

„Hallo zusammen. hier spricht Hannah Baker. Live und in Stereo […] Keine Wiederkehr. Keine Zugabe. Und diesmal auch absolut keine Forderungen. Ich hoffe ihr seid bereit, denn ich will euch die Geschichte meines Lebens erzählen. Genauer gesagt, warum mein Leben ein Ende fand. Und wenn ihr diese Kassetten hört, dann seid ihr einer der Gründe dafür.“ – Worte eines jungen Mädchen, das gerade Selbstmord begangen hat, Worte eines Mädchen, das nicht mehr aus und ein wusste, weil sie sich gedemütigt, bloßgestellt und alleingelassen fühlte. Auf dreizehn Kassetten nahm sie ihre Geschichte auf und Clay ist der nächste, der das Paket vor seiner Haustür findet. Warum hält er nun dieses Paket in seinen Händen, was möchte Hannah ihm mitteilen?

Mein Leseeindruck

Ashers Jugendbuch ist aus der Ich-Perspektive geschrieben und wechselt zwischen der Stimme Hannahs, ihrer in Kursivschrift zu „hörenden“ Nachricht auf Kassette und den Gedanken & Gefühlen im gleichen Augenblick Clays hin und her. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat – das ging bei mir recht schnell, denn es ist eindeutig typografisch gekennzeichnet – findet man sehr schnell in die bedrückende Stimmung des Buches hinein. »Tote Mädchen lügen nicht« ist ein sehr treffender Titel für ein Buch, das auf geradezu gefühlsgewaltiger Ebene dem Leser das Thema Mobbing veranschaulicht, das einem das Blut gefrieren lässt, das einen geschockt hinter seinem Buch zurücklässt und schonungslos die dunklen Gedanken eines Mädchens zeichnet, das Selbstmord als letzten Ausweg aus diesem Teufelskreis wählte.

Der Empfänger dieser Kassetten, dessen inneren Kampf der Autor sehr eindrucksvoll emotional beschreibt, ist sich sehr lange unsicher, warum ausgerechnet er diese Nachricht zugesandt bekam. Der Spannungsbogen, den Asher damit aufbaut, flaut an keiner Stelle des Buches ab, er zieht sich bis zum bitteren Ende ohne Atempause durch und ich konnte das Buch nicht mehr weglegen. Man weiß ja leider, dass Hannahs Leben endet, doch die Frage nach dem Warum beantwortet der Autor in einer unglaublich sensible und zugleich schonungslose Art und Weise. Ich litt mit der jungen Frau, die so unfair behandelt wurde, konnte förmlich das schwarze Loch spüren in das sie sich fallen ließ, beinahe dankbar für die ersehnte Dunkelheit des Vergessens. Jay Ashers Buch rüttelt auf, es warnt vor Ignoranz und Scheuklappenverhalten gegenüber seiner Umwelt. Es macht aufmerksam, es schreit „Hilf mir, sieh nicht weg, sieh hin!“ Man hat nur dieses eine Leben, wer möchte das schon verbringen mit dem Wissen, jemanden in den Tod getrieben zu haben?

Das Buch sprach mich persönlich sehr an, da ich ebenfalls in meiner Schulzeit Opfer von Mobbing geworden bin. Das ist kein Thema, vor dem man sich verstecken sollte, vielmehr sollte man es in die ganze Welt hineinrufen, dass niemand, niemand! das Recht hat, seine Mitmenschen psychisch zu quälen, denn die Folgen können furchtbar sein. Nicht jeder Charakter ist gerade in der Pubertät so stark, dem widerstehen zu können. Was passieren kann, führt uns Jay Asher schonungslos vor Augen! Ich bin froh, dass meine Tochter immer zu mir kommt nach der Schule, um mir zu erzählen, wenn sie in der Schule mal wieder von den Jungs geärgert wurde. Das kann so harmlos sein, doch irgendwann kann aus Spaß bitterer Ernst werden, davor möchte ich sie bewahren. Sprecht mit euren Kindern darüber, was in der Schule vor sich geht, achtet auf Kleinigkeiten, beobachtet ob sie sich anders verhalten. Heute gibt es viele Kursangebote in Schulen, in denen den Kindern Konfliktbewältigung ohne physische oder psychische Gewalt beigebracht wird. Ein guter Ansatz!

Jay Asher | Tote Mädchen lügen nicht
cbt Jugendbuch | September 2009 | ab 13 Jahren
Hardcover, 448 Seiten | 978-3-570-16020-6 | 14,95€
zum Buch auf der Verlagsseite

Mein Fazit: Tote Mädchen lügen nicht muss man gelesen haben, denn kein anderes Buch brachte mir das Thema Mobbing bisher gefühlsintensiver und authentischer näher! Ein Mahnmal für alle, die sich gar nicht bewusst sind, wie schmerzhaft ein Wort sein kann, ein Blick, eine kleine Geste…

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