Lesehighlight 2014: Diana Menschig – So finster, so kalt (Buchrezension)

so finster so kalt dian menschig buchcover

Meine lieben Märchenfreunde,

heute möchte ich euch ein ganz besonderes Buch vorstellen, bei dessen Entstehung ich sozusagen live dabei war und auch ein wenig kreativ werden durfte. Das ist ein absolut schönes Gefühl und macht mich auch ein wenig stolz, muss ich ehrlich zugeben. Wer wissen möchte, wie mein Beitrag zu Diana Menschigs Märchenadaption »So finster, so kalt«, das nun im April im Droemer Knaur Verlag erschien, aussieht, dann werft einfach mal einen Blick auf das Banner von…

Diana Menschigs Werkstattblog »Seitenrauschen«

Nachdem die Osterfeiertage recht turbulent waren und ich kurz nach den Feiertagen erst einmal ein wenig abschalten wollte, habe ich mir »So finster, so kalt« geschnappt, mich in meinen roten Lesesessel zurückgezogen, Kopfhörer mit leiser Musik auf den Ohren und begonnen zu lesen. Wäre Schlaf nicht eine für den Menschen ganz natürliche und notwendige Angelegenheit, hätte ich es wohl in 2 Tagen und Nächten in einem Zug durchgelesen. Warum dieses Buch mich so fesselte, möchte ich euch nun erzählen.

Knusper, Knusper Knäuschen, wer…

...knuspert da an meinem Häuschen? Das fragte sich auch Merle Hänssler, welche nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter in deren, abseits der Wanderwege gelegenes Häuschen zurückkehrt. Im Nachlass der alten Märchen liebenden Dame findet sie Dokumente, die darauf hindeuten, dass Oma Mago nach ihren Vorfahren forschen ließ und dabei Erstaunliches, aber auch Erschreckendes aufdeckte. So ist in den Aufzeichnungen unter anderem zu lesen, dass merkwürdige Dinge im Haus geschahen. Als plötzlich ein kleines Mädchen auftaucht und Menschen verschwinden, bekommt Merle zunehmend das Gefühl, dass dieses Haus nicht einfach nur ein gewöhnliches Schwarzwaldhaus im Grünen ist. Was geschah damals, im 17. Jahrhundert? Was hat es mit diesen Albträumen auf sich, was geschieht hier nur?

Diana Menschig ist mir seit ihrem Fantasydebüt »Hüter der Worte«, ebenfalls bei Droemer Knaur erschienen, in sehr guter Erinnerung geblieben. Ich las damals mit anderen Fantasybegeisterten in einer Leserunde bei Lovelybooks.de mit und lernte die Autorin als eine sehr sympathische, engagierte Person kennen, die mit unheimlich viel Begeisterung in der Leserunde diskutierte, Anmerkungen schrieb und diese, meine erste autorenbegleitete Runde, zu einem ganz besonderen Erlebnis machte. Die Idee des Konflikts zwischen einem Protagonisten und seinem Autor faszinierte mich damals sehr und so konnte ich es kaum erwarten, als ich von ihrem neuen Projekt erfuhr. Nun las ich also zum zweiten Mal in einer von ihr begleiteten Leserunde zum neuen Roman mit und musste sofort wieder an 2012 denken.

Kein Laut war zu hören, nichts zu riechen, nichts zu schmecken. Als ob sie jemand dick in Watte gepackt hatte, um sie von der Außenwelt abzuschirmen. Alles wirkte kalt, doch sie fröstelte nicht einmal. Zumindest nicht vor Kälte. – Seite 20

Eine Mädchenadaption sollte es dieses Mal werden, hauptsächlich angelehnt an das wohlbekannte deutsche Märchen Hänsel & Gretel. Zudem fanden auch unter anderem Elemente von Rotkäppchen, Jorlinde & Joringel sowie Schneewittchen ihr Plätzchen in der Geschichte. Als ich im letzten Jahr die Rohfassung des Manuskripts in Händen halten und Testleserin sein durfte, erkannte ich ihre lebendige Art zu schreiben, sofort wieder. Ich liebe Märchen & Sagen, auch hier bei uns finden sich Werk und Märchensammlungen der Gebrüder Grimm, alte antike & volkstümliche Sagen im Bücherregal. Ich war sehr gespannt darauf, wie Diana dieses Thema in ihrem neuen Roman verarbeiten würde und ich muss ehrlich sagen: Ich bin wirklich begeistert, wie sie das Märchen um die beiden Geschwister in unsere moderne Neuzeit holte und zu einem rundherum spannenden, schaurigen und intensiven Leseerlebnis verwob.

Das Buch begrüßte mich auf der ersten Seite erst einmal mit einem leckeren Rezept für Lebkuchenmännchen, welche aus dem Familienkochbuch der Autorin stammt. Die knusprigen Männchen werden im späteren Verlauf der Geschichte noch eine Rolle spielen. Tolle Idee, wie ich finde. Da bekomme ich Lust, den Backofen aufzuheizen!

Ein lebendiges Märchen mit Gänsehautgarantie!

Der Haupthandlungsort: Ein abseits der Wege, mitten im einsamen Waldgebiet gelegenes Schwarzwaldhäuschen. Natürlich verbarg die hölzerne Fassade dieses alten Gebäudes so einige Geheimnisse, welche Diana Menschig in ihren Sätzen geschickt zu verbergen wusste, bis genug intensive Spannung aufgebaut war, um sie auf mich als nichtsahnende Leserin los zu lassen. Die Worte der Autorin strahlten dabei eine Leidenschaft aus, wie sie mir bisher nicht oft begegnet sind. Ich habe die finsterkalte Lektüre förmlich weggeatmet. Dabei begann alles zunächst ruhig, beinahe unschuldig wirkend aus der Perspektive dreier Kinder, welche vor dem Haus von Merles Großmutter spielen. Die malerische Landschaft des Schwarzwaldes, mit seinen zahlreichen Flüssen, dichten Wäldern und der typischen Architektur, ist die perfekte Kulisse für eine märchenhafte Geschichte. Nicht umsonst ranken sich unzählige Sagen um dieses malerische Fleckchen Erde mitten in Deutschland. Allein die Wahl des Handlungsortes machte mich schon neugierig auf dieses Buch, das mit einem sehr schön zur Geschichte harmonierenden Cover gestaltet wurde. Ich stehe ja absolut auf solche filigranen Schnörkel!

Die Hexe ist tot!, hörte Ronja ihren Freund Luke aufgeregt flüstern. – Prolog

Zurück zur gemächlichen Einführung in die Handlung: Der Schein trog, denn schon in den nächsten Kapiteln nahm der Plot Fahrt auf, zog mich mit seiner mystisch angehauchten Idee in den Bann und ließ mich bis zum letzten Wort nicht mehr los. Dabei wusste Diana mich ein ums andere Mal auf falsche Fährten zu locken und überraschte mit gut durchdachten Wendungen, welche dieses einzigartige Gänsehautgefühl auslösten. Dabei sei angemerkt, dass es sich bei »So finster so kalt« nicht um einen Thriller handelt, auch wenn das Cover dies vielleicht zunächst vermuten lässt. Es ist vielmehr ein düsteres Märchen, das in unserer Gegenwart spielt und dabei mit seinen mystischen Elementen eher im Fantasygenre beheimatet ist.

Spannung bis zum letzten Wort!

Schon recht früh hatte ich ein klares Bild vor dem inneren Auge, fühlte mich Merle bereits nach kurzer Zeit sehr stark verbunden, lachte, bangte und weinte mit ihr. Es gibt so einige Textstellen, die mich an meine eigenen Empfindungen in gewissen Situationen erinnerten. Das war manchmal nicht ganz einfach für mich, zeigte aber nur, wie intensiv ich mich mit dem Buch beschäftigt habe. Mit jedem Kapitel steigerte sich der Spannungsbogen und gipfelte in einem zufriedenstellenden, absolut passenden Ende. Was mir ganz besonders gut gefiel, war die optische Absetzung der Orts- & Zeitwechsel. Die Handlung sprang zwischen den Ereignissen lange vor Merles Geburt – beginnend Ende des 16. Jahrhunderts – und der Gegenwart kapitelweise hin und her. Um diese Perspektivenwechsel besser nachvollziehen zu können, wurden die Seitenzahlen eben jener Passagen, welche im 17. Jahrhundert spielten, mit filigranen Linien umlegt. Ein interessantes Stilmittel, mal etwas anderes als beispielsweise wechselnde Schriftarten oder typografische Hervorhebung durch Kursivdruck. Auch die Kapitelüberschriften wurden mit der gleichen feinen Verzierung, die auch auf dem Cover zu sehen ist, entsprechend umrahmt. Eine erstklassige Designentscheidung.

Buchtrend: perfekt umgesetzt.

Verfolgt man die aktuellen Trends auf dem Buchmarkt wird man feststellen, dass Adaptionen dieser Art derzeit sehr gefragt sind. Es gibt verschiedene gute Beispiele von Büchern, welche die Moderne mit märchenhaften Versatzstücken in ihren Geschichten verschmelzen. Doch »So finster, so kalt« sticht noch ein Stück weit aus der Menge heraus, es ließ mich die Welt um mich herum vergessen und tief in die Buchwelt eintauchen. Von mir aus hätte das Buch noch etliche Seiten mehr haben können, aber auch nur weil mir der Abschied von Merle und ihrer aufregenden Familiengeschichte so verdammt schwer fiel. Es war sicherlich nicht einfach, auf den Trendzug aufzuspringen und gleichzeitig ein Werk abzuliefern, das innovativ ist, dessen Cover neugierig auf den Inhalt macht und dessen Geschichte nachhaltig beeindruckt. Diana Menschig hat sich wieder einmal mitten in mein Leserherz geschrieben.

Omi war immer in Bewegung gewesen, ihr Mundwerk ebenso. Das Wesentliche trieb im langen Strom ihrer Erzählungen, Hinweise, Erinnerungen und Plaudereien oft unter der Oberfläche. – Seite 117

Als ich die letzte Seite umblätterte, überraschte mich das Nachwort mit einer Erwähnung, die mein Herz zum Klopfen brachte und meinen Endorphinspiegel in die Höhe schießen ließ. Es gibt so einige Momente im Leben eines literatur-affinen Menschen, die berühren und wahre Glücksgefühle auslösen: zum Beispiel einen Autor, dessen Werke man über alles schätzt, persönlich zu kennen, eine Signatur zu bekommen, ein Interview führen zu dürfen und vieles mehr. In der Danksagung eines Buches zu stehen, gehört definitiv zu den überragenden Höhepunkten und das ließ mich wirklich absolut sprachlos in meinem Lesesessel zurück.

Liebe Diana, ich kann dir gar nicht sagen, wie schön es für mich war, dich bei der Entstehung dieses Buch mit begleiten zu dürfen. Es hat uns riesengroßen Spaß gemacht, dein Seitenrauschen-Logo zu gestalten und vorab in die erste finsterkalte Rohfassung hineinlesen zu dürfen. Ein ganz besonderes literarisches Abenteuer, das ich niemals vergessen werde. Danke! ♥

Diana Menschig | So finster, so kalt
Droemer Knaur | April 2014
Taschenbuch, 384 Seiten | 978-3-426-51493-1 | 8,99€
zum Buch beim Verlag

 

Mein Fazit: Nicht einfach eine weitere Märchenadaption, sondern 384 Seiten Spannung, mystische Atmosphäre und schaurig-düstere Unterhaltung. »So finster, so kalt« erobert einen Platz auf meinem Regal der Lesehighlights 2014 und beweist wieder einmal das schriftstellerische Potential Diana Menschigs. Sie hat es geschafft, einem uralten, weltweit bekannten Märchen neues Leben einzuhauchen und mit einem Spannungsrahmen zu umgeben, der mich bis zur letzten Seite gnadenlos mitgerissen hat. Märchen, Mystery, Moderne: dieses Buch muss man unbedingt gelesen haben! Jetzt! Lesebefehl!

 

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