Anna Schneider – Blut ist im Schuh (Buchrezension)

Blut im Schuh Cover

 

Rucke die guh,
Rucke die guh,
Blut ist im Schuh,
der Schuh ist zu klein,
die rechte Braut sitzt daheim.

Na nu, was ist denn hier los? Märchenstunde in der Büchernische? Ja, das könnte man durchaus behaupten, denn die Autorin des heutigen Buches, welches ich euch vorstellen möchte, hat sich von Grimms Märchen Aschenputtel inspirieren lassen und die weltweit bekannte Geschichte um diese Märchenfigur in einen modernen Thriller der Gegenwart verwoben. Anna Schneiders Jugendthriller verstand es, mich mit einer packenden Story an die Buchseiten zu fesseln und hat mein Bücherregal um ein wahrlich märchenhaft-spannendes Debüt bereichert!

(Hass)liebe

Amelie ist 15 Jahre alt und ist gerade in eine neue Stadt gezogen. Nachdem ihre Mutter an Krebs verstarb, ist Amelie froh, dass ihr Vater endlich wieder glücklich sein kann, denn er hat auf einer Dienstreise eine neue Frau kennengelernt. In den Sommerferien stand nun der Umzug auf dem Plan und so wohnen die beiden nun gemeinsam mit ihrer neuen Stiefmutter und deren Tochter Sarah in einer neuen Wohnung. Doch Heike, Sarahs Mutter offenbart sich schnell als Hausdrachen und auch die Stiefschwester mit ihrem für Amelie ungewohnten Styling ist dem jungen Mädchen alles andere als sympathisch. Amelie ist froh, um die beiden einen Bogen machen zu können. Sie konzentriert sich auf die Schule und den anstehenden Abschlussball in der Stadt, auf den sie vom wohl süßesten Jungen der Schule eingeladen wurde. Amelie kann ihr Glück kaum fassen, doch das Unheil nimmt seinen Lauf. Sie fühlt sich beobachtet, verfolgt…

Eine spannende Märchenadaption!

»Blut ist im Schuh« begegnete mir bereits vor einigen Wochen das erste mal auf Facebook, als andere bloggende Büchereulen ein Foto ihres Exemplars posteten. Das Cover und der Klappentext erweckten meine Neugier, kurz darauf fand ich eine Email von Autorin Anna Schneider in meinem Postfach. Ich war überrascht und freute mich sehr, denn sie fragte mich, ob ich Lust auf ihren Jugendthriller hätte. Ein paar Tage später kam das Buch mitsamt einer liebevollen Signatur ins Haus geflattert – vielen, lieben Dank nochmal an dieser Stelle, liebe Anna – und ich war sehr gespannt, was mich erwarten würde. Mein Lesenachwuchs hatte auch schon ein Auge auf das Cover geworfen und so kam es mir gerade recht, dass an diesem Wochenende wieder die Lesenacht mit Anka anstand und zudem zeitgleich eine Leserunde zum Debüt auf lovelybooks.de stattfand. Am gestrigen Abend also machte ich es mir mit dem Buch in der Hand gemütlich und strich erst einmal über das hübsch anzusehende Cover.

Sanfte Pastellfarben, florale Schnörkel und die Silhouetten zweier Mädchen wirkten auf mich sehr zart, filigran und feminin, aber  auch verführerisch und strahlten eine gewisse Rivalität aus. Der Titel deutete bereits an, dass wir es hier wohl mit einer Märchenadaption zu tun haben. Dies war meine erste Begegnung mit dieser Art Buch und ich war gespannt, wie die Autorin das Märchen von Aschenputtel in der modernen Gegenwart verwoben hatte.

 

Das Cover wird den Geschmack der jungen Zielgruppe der 12 bis 15jährigen mit Sicherheit treffen, denn nicht nur das Frontbild ist wirklich schön gestaltet, auch der Buchschnitt wurde mit einem floralen Rankenmuster in dunklem Violett verziert. Das Motiv findet sich auch auf jeder Seite rund um die Kapitelziffern sowie unter den Seitenzahlen und spiegelt so dezent den märchenhaften Charakter des Jugendbuches wider.

Modernes Aschenputtel

Das Märchen »Aschenputtel« dürfte (hoffentlich) jedem ein Begriff sein. Dieses Wissen ist hilfreich, jedoch keine zwingende Voraussetzung, um das Buch verstehen zu können. Die Autorin greift das Thema einer modernen Patchwork-Familie auf, verleiht diesem mit geschickten Handgriffen einen märchenhaften Touch und sorgt für spannende Unterhaltung in 42 recht kurzen Kapiteln. Patchwork-Familien sind in unserer Gesellschaft ein völlig normales Sozialgefüge, im Märchen jedoch hat die Stieffamilie fast immer einen bitteren Beigeschmack, zum Beispiel in Form der bösen Stiefmutter. In »Blut ist im Schuh« hat Anna Schneider das Gewicht auf eben jene negative Waagschale gelegt und dies sehr überzeugend dargestellt.

Der locker leichte, nicht zu sehr verschachtelte Erzählstil führt in angenehm flottem Tempo durch das Buch, hält die Spannung auf gleichbleibend hohem Niveau und sorgt des öfteren für ein beklemmendes Gefühl in der Magengrube. Stellt euch vor, ihr glaubt beobachtet zu werden, spürt die Blicke förmlich im Rücken, könnt aber niemanden entdecken. Stalking ist ein brandaktuelles Thema und ich war sehr angetan davon, wie Anna Schneider stets die richtigen Worte fand, eben diese Beklemmung und Angst aus der Sicht eines jungen Mädchens zu erfassen.

Ein weiterer Pluspunkt: Die beiden Protagonistinnen wirkten nicht aufgesetzt oder gar künstlich, im Gegenteil. Die rivalisierenden Stiefgeschwister Amelie und Sarah sind zwei Teenager mit ganz normalen Sorgen und Ängsten; sie kämpfen mit sich und gegeneinander. Amelie übernimmt dabei die Rolle der vorwiegend braven Vorzeigeschülerin, während Sarah die Rebellin verkörpert, auf Gothic steht und ständig in Abwehrhaltung zu stehen scheint.

Stellenweise hat mich die junge Dame ziemlich wütend gemacht, denn sie handelte nicht einfach aus purer Aufsässigkeit heraus oder um des Provozierens willen, sondern schlug mit wirklich fiesen Methoden zu, um Amelie eins auszuwischen. Stiefmutter Heike hat dem nicht viel entgegen zu setzen, vielmehr steht sie auf der Seite ihrer leiblichen Tochter Sarah und verhält sich aus meiner Sicht nicht wirklich so, wie es sich für eine Mutter in einer solchen Konfliktsituation gehört. Die Entwicklung der beiden Geschwister im Laufe des Buches gefiel mir dennoch sehr gut, sowohl individuell für sich als auch zueinander: eine typische pubertäre Charakterzeichnung – realistisch, aber nicht zu sehr, im Gesamtbild gut auf den Punkt gebracht.

Zusätzlich sorgen Perspektivenwechsel für genügend Abwechslung. Diese zeichnen ein klareres, vielschichtiges Bild der Protagonisten und lassen so Einblicke in die Psyche der so unterschiedlichen Charaktere zu. Für den passenden Gruselfaktor sorgen Kapitel aus der Sicht des Stalkers, versinnbildlichen die Gestalt des bösen Wolfes mit Hilfe metaphorischer Stilmittel und führten mir als Leser den verstörend, krankhaften Wahn dieser Person vor Augen. Die betreffenden Szenen sind sehr kurz gehalten, meistens nur zwei, drei Seiten lang und sorgten im Rahmen der Allwissenheit einer auktorialen Erzählperspektive eindrücklich für beklemmende Schauer mit Gänsehaut. Man konnte förmlich das irre Funkeln im Auge des bad guy sehen!

Er hatte sich gut getarnt. Er war ein Wolf, aber keiner würde ihn erkennen. Er hatte Kreide gefressen, seine Stimme verstellt und auch seine Art, sodass niemand sein wahres Ich ergründen konnte. Er näherte sich ihnen und blieb dennoch unerkannt. Er durfte alles tun: Ihre Fährte aufnehmen, sie beschnüffeln, sich Appetit holen. – Seite 35

Spannende Momente bot »Blut ist im Schuh« zur Genüge. Splatterszenen wird man hier natürlich nicht finden, immerhin ist das Buch für Jugendliche gedacht und da haben solcherlei Szenen wirklich nichts zu suchen. Die Stärken des Thrillers zeigten sich in seinen düsteren Aspekten. Er führte geschickt auf falsche Fährten und entließ mich mit einem spannenden Finale. Anna Schneider ist eine wirklich gute Märchenadaption gelungen und trifft damit genau den Nerv des aktuellen Buchtrends.

Anna Schneider | Blut ist im Schuh
Planet Girl | 15. März 2013 | ab 12 Jahren
Klappenbroschur (nur noch gebraucht erhältlich), 256 Seiten | 978-3522503303 | 9,95€
zur Ebook-Ausgabe beim Verlag

Mein Fazit: Ein gelungenes Debüt, welches klassische Märchenelemente der Gebrüder Grimm mit der modernen Gegenwart verschmelzen lässt und uns magisch zwischen die Seiten zieht. Das macht Lust auf weitere Bücher aus der Feder der Autorin! Unterhaltsame Lesestunden, nicht nur für Teenager!

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